Anfang 2018 wurde ein Entwurf in den europäischen Gesetzgebungsprozess eingebracht. Deren vordergründiger Ansatz war ein Schutz der Bauern. Es sollte ein Ungleichgewicht verhindert werden der großen Einkaufsmacht von Handelsketten gegen kleine Erzeuger. Der Richtinienentwurf war aber nicht richtig durchdacht. So wäre z. B. genossenschaftlich organisierter Einkauf eingeschränkt worden, was dann z. B. Einzelhandelskette gegen internationale Nahrungserzeuger bedeutet hätte; also Klein gegen Konzern. Der Bund der Selbständigen will kleine Unternehmen stärken, aber es richtig machen und alle Varianten bedenken.
Geschichte: BDS-Mitglied hat den Stein ins Rollen gebracht
Ein Mitglied des Bunds des Selbständigen im Rhein-Neckar-Gebiet war ein Entwurf einer Richtlinie von der EU-Kommission zu unfairen Vertragspraktiken vom April dieses Jahres aufgefallen. Das BDS-Mitglied (welches wir aus Datenschutzgründen anonymisieren) erklärte den Sachverhalt zusammenfassen wie folgt:
„Der erste Entwurf zur Richtlinie war vernünftig und zielte genau auf die Landwirte und die kleine Hersteller, mit denen man als Kaufmann oftmals direkt zu tun hätte.“
„Praktiken wurden aufgelistet, die verboten werden sollten oder vertraglich zu vereinbaren. Diese waren für uns ok, weil diese Praktiken in der Tat in einer partnerschaftlichen Kooperation nichts zu suchen hätten (Beispiel Auslistung oder Gebühren ohne Gegenleistung).“
„Wir brauchen ein Gegengewicht zu den Großkonzernen. Diese stellen nur 1 % der Hersteller, aber machen 50% der Gesamtumsatzes der Industrie. Und das mit Margen, ohne das zu verschweigen, nah an 20 bis 30 %, während unsere ca. 1 bis 3 % betragen.“
Was ging schief mit dem Entwurf?
Ursprünglich sollte diese Richtlinie zum Schutz der Landwirte sowie kleiner und mittelständischer Unternehmen dienen. Doch im Prozess wurde der Entwurf an den Agrarausschuss übermittelt. Dort scheint es starke Lobby-Interessen gegeben zu haben, denn einige aus Sicht des BDS willkürlich, radikal oder sonstwie unverständlich erscheinende Anforderungen fanden Eingang in den Beschluss, darunter diese krassen Beispiele:
- Die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf große Lebensmittelhersteller.
FOLGE: Konzerne wie Nestlé, L’Oréal, Danone, Unilever, Coca Cola und Ähnliche hätten größere Verhandlungsmacht. - Antrag Nummer 360 der deutschen Abgeordneten Peter Jahr (CDU/EVP), Jens Gieseke (CDU/EVP), Peter Lins (FDP/ALDE), Albert Deß (CSU/EVP): Verbot eines Zusammenschlusses von Einzel- und Großhändlern
FOLGE: Zerschlagung von Genossenschaften
Viele Kaufleute, Handelsketten, Erzeugergemeinschaften oder Bäckerinnungen sind genossenschaftlich organisiert und damit die unmittelbaren Eigentümer. Dieses System profitiert davon, dass kein Zentrale irgendwelche Dividenden an externe Aktionären ausschüttet, sondern die Partner profitieren direkt und können diese Vorteile in ihren Heimatregionen direkt an den Kunden weitergeben. Oder mit den Worten des BDS-Mitgliedes:
„Es gibt da keinen Dissens in dem Ziel. Wir wollen auch die Landwirte schützen. Wir brauchen nämlich auf regionale Ebene vitale und wettbewerbsstarke regionale Anbieter.“
Position des BDS: Kein Dissens im Ziel, nur im Erreichen
Der Bund der Selbständigen Sachsen-Anhalt ist deutlich für faire Verhandlungen und fördert die europäische Gesetzgebung in dieser Richtung. Landesvorsitzender des BDS Sachsen-Anhalt Ralph Hollritt fordert:
„Der BDS ist für faire Bedingungen auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Denn sowohl Lebensmittelverkäufer als auch -einkäufer können Monopolist sein. Die welt ist nicht nur schwarz oder weiß. Die vielen grauen Schraffuren sind in der aktuellen Entwurfsphase des EU-Parlaments noch nicht berücksichtigt. Wir fordern eine Korrektur.“
Gleichzeitig fordert der BDS auch gründlich zu prüfen, dass kleine Unternehmen nicht benachteiligt werden. Es darf keinen Generalverdacht gegen eine Verhandlungsseite geben.
Position anderer Organisationen
Der Präsident des deutschen Bundeskartellamts, Andreas Mundt, hatte sich gegen eine EU-Gesetzgebung geäußert.
Ein Zusammenschluss verschiedener Einzelhändler hatte sich mit dem ursprünglichen Vertragsentwurf sogar einverstanden erklär und ihn gelobt als Möglichkeit auch kleine regionale Zulieferer zu schützen, um einen vitalen Anbietermarkt zu erhalten.
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